Social Entrepreneurship Gründungsberatung
Social Entrepreneurs in der Gründung begleiten
Der Begriff Social Entrepreneurship taucht in den letzten Jahren vor allem auch im Kontext von Gründungen vermehrt auf. Doch was sich genau dahinter versteckt, ist aufgrund der Heterogenität des Feldes nicht immer leicht zu verstehen. In einem partizipativen Prozess hat das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. 2019 eine Definition erarbeitet, die sich an die Definition der Europäischen Kommission anlehnt und drei Dimensionen umfasst:
Gesellschaftliche Dimension
Das primäre Ziel von Social Entrepreneurship ist die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Als Rahmenwerk dienen die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen.
Unternehmerische Dimension
Social Entrepreneurship bedient sich unternehmerischer Mittel, mit dem Ziel, die eigene Wirkung zu erhöhen. Kennzeichnend ist die Schaffung neuer und innovativer Lösungen durch Produkte oder Dienstleistungen. Die Einkommensströme können äußerst vielfältig sein, von direkten Verkaufserlösen bis zu alternativen Finanzierungsquellen, z.B. durch Stiftungen.
Governance Dimension
Um die positive gesellschaftliche Wirkung intern wie extern zu sichern, bedient sich die Organisation steuernder und kontrollierender Maßnahmen. Wichtige Aspekte sind dabei eine eingeschränkte Ausschüttung von Dividenden, Partizipation von Mitarbeitenden und Stakeholdern sowie offenere Entscheidungsprozesse.
Unser Partner, das RKW Kompetenzzentrum hat einige spannende Social Enterprises interviewt:
„Das primäre Ziel von Social Entrepreneurship ist die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Dies wird durch kontinuierliche Nutzung unternehmerischer Mittel erreicht und resultiert in neuen und innovativen Lösungen. Durch steuernde und kontrollierende Mechanismen wird sichergestellt, dass die gesellschaftlichen Ziele intern und extern gelebt werden."
Wieso sind Social Enterprises relevant?
Wir stehen vor gewaltigen Herausforderungen: Klimakrise, digitale Transformation, demographischer Wandel, zunehmende Flüchtlingsbewegungen, ein veraltetes Bildungssystem… Der Staat übernimmt viele dieser Aufgaben, allerdings sind politische Entscheidungen häufig durch langwierige Prozesse, strikte Regularien und Silodenken gekennzeichnet. Angesichts der Komplexität und Dringlichkeit der Handlungsfelder benötigen wir jedoch eine große Bandbreite an flexiblen, agilen und innovativen Lösungsansätzen mit dem Blick für Synergien sowie eine sektorübergreifende Zusammenarbeit. Social Entrepreneurship nimmt sich dieser Probleme im sozialen wie ökologischen Bereich an.
Immer mehr Gründer*innen sehen sich selbst in diesem Bereich verankert. Im Deutschen Startup Monitor 2019 ordnen sich 36% der Befragten unter „Nachhaltigkeit“ oder „Social Entrepreneurship“ ein. KfW Research stellt im Report „Social Entrepreneurs in Deutschland: Raus aus der Nische – 154.000 ‚junge‘ Sozialunternehmer im Jahr 2017“ dar, dass 9% aller Jungunternehmen in Deutschland Social Entrepreneurs sind und argumentiert, dass die Bedeutung von Sozialunternehmen durch eine wachsende Wahrnehmung steigt.
Mit ihren integrativen Ansätzen sind Social Entrepreneurs wichtige Innovationstreiber. Die Verknüpfung von Wirtschaft und gesellschaftlicher Orientierung erzeugt ein Spannungsfeld aus kreativer Reibung, das oft unerwartete neue Entwicklungen hervorbringt. Laut einer Studie von Ashoka und McKinsey schlummert in Social Entrepreneurship ein Potenzial von mehreren Milliarden Euro, die jährlich eingespart werden könnten. Diese Innovationen sind somit nicht nur aus soziologischer oder technischer Perspektive wertvoll, sondern auch volkswirtschaftlich. Das erkennen auch zunehmend Bundes- und Landesregierungen, die vermehrt die Absicht zeigen, Social Entrepreneurship stärker als bisher zu fördern.
Besonderheiten in der Gründungsberatung
Die Gründung von Social Enterprises unterscheidet sich in den meisten Themen zur Gründung eines konventionellen Unternehmens nicht grundlegend. Bei einem Thema bringt Social Entrepreneurship jedoch eine besondere Facette in die Gründungsberatung – wie wir noch im Detail in diesem Handbuch behandeln werden: Die Wirkung. Wie wir im Detail in unserem Handbuch betrachten, ändert diese den Fokus in der und den Anspruch an die Gründungsberatung.
Wer wird Social Entrepreneur?
Schon seit einigen Jahren steigt die Anzahl der Personen in Deutschland, die mit ihrer Gründung nicht (nur) Profit verfolgen, sondern gleichzeitig gesellschaftliche Verantwortung übernehmen möchten. So ordneten sich im Deutschen Startup Monitor 42,6 % der Antwortenden dem Social Entrepreneurship zu.
Gründende von Social Enterprises sind grundsätzlich sehr heterogen. Einige Gemeinsamkeiten gibt es jedoch: Neben einem meist hohem Ausbildungsstand vereint sie die Motivation, etwas Gutes tun zu wollen. Oft ist die eigene Biografie und der eigene Kontakt mit dem gesellschaftlichen Problem, dass sie aktiv werden lässt.
“… Erfahrung mit Ausgrenzung, Bewertung und wie gut Netzwerke sind, wenn es sie in Krisensituationen gibt, in denen man ‘Beistand’ braucht.” (DSEM 2018, S. 52)
“[Die] Wohnungssuche der Familie. Was es gab entsprach nicht unserer Vorstellung von gutem Leben.” (DSEM 2018, S. 52)
Oft ist darüber hinaus auch der Wunsch nach einer sinnvollen Beschäftigung ein wichtiger Antrieb. Vor allem die jüngeren Generationen empfinden hohen montären Wohlstand eher als Belastung. Ihr Beitrag zur Gesellschaft nimmt statt dessen einen wichtigen Standpunkt ein. Social Entrepreneurship verbindet für sie professionelle Beschäftigung und sinnhafte Arbeit.
Frauen werden im Gegensatz zu gewöhnlichen Gründungen, besonders oft Social-Enterprise-Gründende – 46,7 % der Gründenden, die auf den DSEM 2019 antworteten waren Frauen. Innerhalb von Social Entrepreneurship können Gründungsinteressen verfolgt werden, die für gewöhnlich als weiblicher wahrgenommen werden: sozial, kooperativ und aufs Gemeinwohl gerichtet. Auch ist die Mentalität in Social Enterprises – oft in großem Kontrast zu gewöhnlichen Startups – von Kreativität, Zusammenarbeit und selten von Wettbewerb geprägt (im enorm Magazin 05/20 gibt es einen längeren Artikel zu dem Thema).
Was ist ein Wirkungsmodell?
Da die Lösung einer gesellschaftlichen Herausforderung das primäre Ziel von Social Entrepreneurs ist, steht im Gegensatz zu konventionellen Gründungen die Maximierung der Wirkung statt des Profits im Mittelpunkt. Sie handeln wirkungsorientiert. Die Frage „Bewirke ich mit meinem Social Enterprise auch tatsächlich die positive Veränderung, die ich erreichen möchte?“ müssen sich Social Entrepreneurs im Zuge ihrer Gründung – und auch danach – kontinuierlich stellen. Die weiteren Teile ihres Social Enterprises wie z.B. das Geschäftsmodell unterstützen dieses Ziel, sind aber gegenüber der Wirkung nur zweitrangig.
Das Wirkungsmodell ist eine konzeptionelle Veranschaulichung, auf welche Weise, die konkreten Maßnahmen einer Organisation über die Wirkungsempfänger*innen eine gesellschaftliche Wirkung entfalten – eine Kausalkette also. Durch die Erarbeitung eines Wirkungsmodells können die Gründer*innen ihre intendierte Wirkung systematisch betrachten und besser planen. Im Rahmen ihres Wirkungsmodells definieren Social Entrepreneurs
- ihre Begünstigten, also die Zielgruppe ihrer Mission
- die Maßnahmen, die sie ergreifen wollen, um ihr Wirkungsziel zu erreichen und
- Annahmen darüber, wie diese darauf hinwirken, die gesellschaftliche Herausforderung zu lösen.
Das in der Entwicklungszusammenarbeit entstandene „Input-Output-Outcome-Impact-Modell“ ist eine seit Jahren etablierte Methode, um die (geplante) Wirkung einer Organisation darzustellen. Die einzelnen Stufen bauen wie folgt aufeinander auf:
Die Wirkung zu konzipieren ist jedoch nur der Anfang. Zur Sicherstellung, dass die durchgeführten Aktivitäten auch wirklich die geplanten Ergebnisse zeitigen, ist eine kontinuierliche Beobachtung und Steuerung wichtig. Das folgende Schaubild verdeutlicht den „Wirkungszyklus“ aus Planung, Analyse und Anpassung:
Welche Rechtsformen eignen sich für Social Enterprises?
Deutschland besitzt keine spezifische Rechtsform für Social Enterprises. Statt dessen nutzen Social Entrepreneurs diejenigen Formen, die ihnen zur Verfügung stehen und zu ihrem Wirkungs– und Geschäftsmodell passen. Verein, GmbH, gemeinnützige GmbH oder Unternehmergesellschaft (UG) werden beispielsweise oft genutzt (vgl. DSEM 2019, S. 20). Aber auch Genossenschaften oder Stiftungen eignen sich gut für die Social-Enterprise-Gründung.
Da Social Enterprises als primäres und ausdrückliches Ziel haben, eine gesellschaftliche Herausforderung zu lösen, ist Gemeinnützigkeit oft ein Thema, dass in der Gründungsberatung besprochen wird. Auch können die Ziele des Social Enterprises die Notwendigkeit einer hybriden Rechtsform aufkommen lassen: Die Organisation ist zwischen einer gemeinnützigen und einer gewerblichen Organisation aufgeteilt. Dies ermöglicht, sowohl Spenden anzunehmen (gemeinnützige Rechtsform), als auch einen gewöhnlichen Geschäftsbetrieb mit üblichen Rücklagen (gewerbliche Rechtsform) zu betreiben.
Wie finanzieren sich Social Enterprises?
Mehr zum Thema Finanzierung von Sozialunternehmen finden Sie in dieser Publikation, die wir gemeinsam mit dem European Center for Social Finance erarbeitet haben:
Sie suchen nach möglichen konkreten Finanzierungspartnern? Diese Auflistung kann Ihnen weiterhelfen:
Arbeitsmittel für Ihre Gründungsberatung
Dieser Ratgeber, den wir gemeinsam mit dem European Center for Social Finance erstellt haben, beleuchtet die Besonderheiten bei der Finanzierung von Social Enterprises.
- Überblick über alle Finanzierungsformen
- Spezielle Finanzierungsmöglichkeiten für Social Enterprises
- Links zu möglichen konkreten Finanzierungspartnern
Dieser Ratgeber, den wir gemeinsam mit der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft erstellt haben, beleuchtet die Vor- und Nachteile ausgewählter Rechtsformen für Social Enterprises.
- Überblick über die gängigsten Rechtsformen
- Aufzählung der Vor- und Nachteile
- Spezieller Teil zum Thema Gemeinnützigkeit